by Michel Doermer --
Dass ein Spieler oder Trainer den Verein wechselt, gehört zum Alltag im Fußballgeschäft. Dennoch gerät der Transfer von Niko Kovac von Eintracht Frankfurt zu Bayern München zum Fiasko. Alle Beteiligten treten in jede erdenkliche Kommunikationsfalle. Die Geschichte um Kovac’ Vereinswechsel ist ein vorzügliches Beispiel, wie amateurhaft der Profifußball mit Krisenkommunikation umgeht. Dabei geht es nicht um Fußballexpertise. Vielmehr bietet die Bühne neben dem Fußballplatz die Möglichkeit exemplarisch die Kommunikationsfehler einzelner Akteure offen zu legen.
Machen ist wie reden, nur krasser
Niko Kovac blinkt links, biegt aber rechts ab. Er kommuniziert das eine, macht aber das andere. Die Konsequenz: Verlust der Glaubwürdigkeit. Und das ausgerechnet bei dem Mann, der so viel auf Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit gibt. Der Dinge sagt wie „ein Mann, ein Wort“, Fußballer kritisiert, die ihre Verträge nicht einhalten und gern über Werte und Anstand doziert, die er im Profigeschäft vermisst. Zwar hat er sich eine Hintertür offen gelassen, als er seinem Verbleib bei der Eintracht bis zu seinem Vertragsende im Sommer 2019 mit dem Zusatz „Stand jetzt“ versah. Dennoch, das Pochen darauf, dass er nicht lüge, mit Verweis auf die Ausstiegsklausel im Vertrag, offenbart vor allem eins: Kovac hat keinen blassen Schimmer, was Kommunikation anrichten kann – im Positiven, wie im Negativen. Denn anders als auf dem Fußballplatz, wo nur Tore zählen – auch wenn sie durch die Hand Gottes oder sonst wie erzielt werden – gilt in der Kommunikation die Maxime „Perception is Reality“. Wahrnehmung schlägt also Wahrheit oder Rechthaben. Wenn man weiß, dass Kovac von Markus Hörwick beraten wird, sind seine Kommunikationsfehler beachtlich. Denn Hörwick, zuvor über 30 Jahre für die Kommunikation von Bayern München verantwortlich, ist PR-Profi. Beachtlich, geradezu delikat ist aber noch etwas: Hörwicks Vergangenheit und aktuelle Rolle. Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung, dass Bayerns Kontaktaufnahme mit Kovac, Vertragsverhandlung und Übereinkunft an nur einem Tag stattgefunden haben soll, komplett unglaubwürdig. Denn niemand anderes als Hörwick hat wohl einen so direkten und zugleich informellen Draht zu Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge.
Am Ziel vorbei kommuniziert
Fredi Bobic attackierte auf der Pressekonferenz am 13. April die Münchner. Die machten ihr Ding, seien unprofessionell und respektlos. Niemand hätte mit ihm gesprochen, beklagte er. Dabei bediente er unausgesprochen den weit verbreiteten Verdacht, Bayern München würde systematisch anderen Bundesligavereinen schaden, um bloß keinen Wettbewerb aufkommen zu lassen. Damit mag Bobic für den Moment viele Sympathiepunkte weit über die Fanbasis Frankfurts hinaus gesammelt haben. Nur haben Bobics Sympathiewerte nichts mit den strategischen Zielen der Eintracht Frankfurt zu tun. Die sind etwa kurzfristig die Qualifikation für Europa und mittelfristig den Verein unter den Top10 in Deutschland zu etablieren. Die strategischen Ziele Eintracht Frankfurts sollte Bobic aber im Fokus haben, wenn er im Namen des Vereins kommuniziert.
FC Hollywood auf Dauersendung
Eine professionelle Trainersuche sieht anders aus als das Theater, das Bayern München im letzten halben Jahr zeigte. Grotesk wie Hoeness mehrfach ohne Erfolg versuchte, Jupp Heynckes öffentlich zu bezirzen, ein Jahr länger zu bleiben. Dann der Auftritt von Thomas Tuchel, der Kund tat, er habe bereits einem anderen Verein zugesagt. Nun also Kovac. Unabhängig davon, wer was an die Bild-Zeitung durchgestochen hat, stellt sich eine Frage. Warum bekommt Bayern es nicht auf die Kette, einen Transfer mit allen Beteiligten so zu koordinieren – ohne dass der abgebende Verein in einer wichtigen Phase gestört wird? Nach der Kritik von Bobic reagierten die Münchner dünnhäutig. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Hoeness vor laufender Kamera wie eine offene Hose benimmt. Wen wundert es, wenn Rummenigge und Hasan Salihamidzic ihm nacheifern?
Grundsätze der Krisenkommunikation
Das Fiasko um den Trainertransfer war vermeidbar. Die Berücksichtigung einfacher Grundsätze der Krisenkommunikation hätte gereicht. Von Fußballvereinen ist dies ebenso zu erwarten, wie von einem Trainer, der sich von einem PR-Profi beraten lässt.
Grundsatz I: Potentielle Krisen verhindern.
Dazu gehört, Risiken zu antizipieren. Da die Frankfurter die Ausstiegsklausel kannten, waren zwei Risiken absehbar. Erstens Kovac’ Wechsel. Zweitens ein ungünstiger Zeitpunkt an dem der Wechsel publik wird. Um eine potentielle Krise zu verhindern, hätte Bobic lieber selbst in München angerufen und nicht auf einen Anruf aus München gewartet. Es wäre sein Job gewesen mit Kovac und den Bayern frühzeitig eine Regelung zu finden, die im Fall eines Transfers auch klare Absprachen über den Zeitpunkt der Kommunikation beinhalten. Auch Bayern München tat nichts, um Krisen zu verhindern. Die öffentliche Trainersuche hat die Verantwortlichen unter Druck gesetzt, einen Trainer zu präsentieren. Hätten sie den Prozess der Trainersuche, wie anderswo üblich, still aufgesetzt, hätte es weder Zugzwang noch das Fiasko um Kovac gegeben.
Grundsatz II: Vorbereitet sein auf Krisen, die sich nicht verhindern lassen.
Bobic war nicht auf die Nachricht auf Kovac’ Wechsel vorbereitet. Zumindest schien es auf der Pressekonferenz am 13. April so. Um Schaden von seinem Verein abzuwenden, hätte er es aber sein müssen. Die Frage ist doch, ob das Bayern-Bashing dabei hilft, Eintracht Frankfurt für Europa zu qualifizieren. Auch die Bayern ignorierten den Grundsatz, indem sie ein Theater veranstalteten, als ob man das erste Mal einen Trainer verpflichten wollte. Wo würden die Bayernbosse jetzt stehen, wenn Kovac nicht zugesagt hätte?
Grundsatz III: Fehlerfreie Kommunikation, die Krisen weder auslöst noch verstärkt.
Fehlerfrei hat keiner der Beteiligten kommuniziert. Die dicksten Böcke hat allerdings Kovac geschossen. Was hat ihn davon abgehalten, frühzeitig zu erklären, dass er einen Ruf aus München kaum ablehnen kann? Dafür hätte er in Frankfurt weder Applaus noch eine lebenslange Mitgliedschaft der Eintracht erhalten. Hingegen hätten Spieler, Verein und Fans gewusst, woran sie sind. Die aktuelle Verunsicherung wäre gering, die Aussicht als Trainer mit Frankfurt auf eine Qualifikation für Europa hoch und Kovac’ Reputation unversehrt.
Die Moral von der Geschichte…
… dafür ist es zu früh. So wird in Fanforen und Medien eine Beurlaubung Kovac’ bei der Eintracht diskutiert. Wer weiß, ob Kovac sich überhaupt einen Gefallen getan hat, bei den Bayern zuzusagen? Wie groß wird die Häme sein, wenn er scheitert? Unklar ist, ob die Frankfurter und Münchner schon alle schmutzige Wäsche gewaschen haben. Und, einer, der selten um einen Kommentar verlegen ist, hat noch keinen rausgehauen: Peter Fischer wird sicherlich noch seinen Senf dazu geben. Unwahrscheinlich, dass der bayrisch-süß sein wird.
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